Transformation
Die
Bedeutung der folgenden Begriffe in der Elektrouakustischen Musik deckt sich
nicht immer mit der Bedeutung gleicher oder aehnlicher Begriffe in anderen
kuenstlerischen oder wissenschaftlichen Disziplinen (zB. Instrumentalmusik ,
Mathematik, Rundfunktechnik)
Transformation lat. Umwandlung, Verwandlung
Umwandlung eines gespeicherten Klanges in eine andere
Erscheinungsform.
Grundsaetzlich
umkehrbar: zu jeder echten Transformation gibt es auch eine
Ruecktransformation, Information bleibt erhalten. Es gibt unzaehlige
Transformationen, von denen uns einige bekannt sind und von denen wiederum nur
einige in der EM Verwendung finden.
Typische
Transformationen sind zB. die Fouriertransformation , die Wavlet-Transformation,
sowie alle Transpositionen.
Transposition
lat. Versetzung, Verschiebung
Sonderfall der Transformation, bei der die Veraenderung mit
einem einzigen Wert (Faktor, Parameter) beschrieben werden kann.
Umkehrbar: zu jeder Transposition gibt es eine eindeutige
Ruecktransposition.
Es gibt in der EM nur vier Transpositionen im eigentlichen
Sinn:
Tempotransposition , Lautstaerketransposition ,
Frequenzverschiebung und Zeitverschiebung, darueberhinaus aber noch
eine Fuelle von Verfahren, die unter gewissen Einschraenkungen als Transposition
aufgefasst werden koennen, wie zB. einige Typen von Verzerrung.
Metamorphose
gr. Verwandlung
Bedeutet nahezu dasselbe, wie das lateinische
Transformation, wird im Allgemeinen
aber mehr philosophisch als technisch verwendet. Metamorphose ist nicht
notwendig umkehrbar, es koennen sowohl Komponenten wegfallen, als auch neue
dazukommen. Typisch fuer eine Metamorphose ist ihre unbeschraenkte Fortsetzung durch weitere aehnliche oder gaenzlich andere Metamorphosen.
In der EM setzt sich ein Schritt einer Metamorphose haeufig aus mehreren Einzelprozessen zusammen: Transformationen, Transpositionen, sowie destruktive Prozesse und Kombinatonen.
Modulation
lat. Regelung, Steuerung
Sonderfall der Transformation, bei der die Veraenderung
durch einen Modulator erfolgt, der selber von der Komplexitaet des zu
transformierenden Klangmaterials sein kann. Modulation ist nur dann umkehrbar,
wenn der Modulator genau bekannt ist, bzw. erhalten bleibt und wenn keine
Information verlorengeht oder mehrdeutig wird.
Pseudotransposition
Aus der Praxis der Instrumentalmusik wird immer wieder die
Forderung nach Transpositionen ohne Nebeneffekte gestellt: 'derselbe Klang,
aber in einer anderen Tonhoehe ohne zeitliche Veraenderung', oder 'dieselbe
Klangfolge aber nur langsamer oder schneller ohne Veraenderung der Tonhoehe'
....
Solche Forderung beruht nicht selten auf einem
physikalisches oder mathematisches Paradoxon.
In der Instrumentalkomposition laesst sich manches
vereinfacht und bequem denken, dessen tiefere Problematik Instrumentenbau und
Instrumentation loesen muessen. Es fragt sich allerdings, inwieweit die
Modellvorstellungen eines 'Tonraumes', aus der solche trivialen Forderungen
ueblicherweise herruehren, fuer die EM ueberhaupt relevant sind.
Unter zumeist blumigen Namen gibt es zahlreiche Effekte, die
Pseudo-transpositionen mehr oder weniger gut anbieten. Allen gemeinsam ist, dass
sie grundsaetzlich nur granular funktionieren koennen: der zu
transponierende Klang wird in winzige Portionen, sogenannte grains oder windows
zerlegt, diese getrennt behandelt und wiederum zu einem Ganzen zusammengesetzt.
Dabei geht Information im Uebergangsbereich von Zeit- und Frequenzwahrnehmung
verloren, der fuer die Feinqualitaet von Klangmaterial von grosser Bedeutung
sein kann. (Vielfach resultiert ungewollte Rauhigkeit oder Glaette). Fuer eine
konkrete Aufgabenstellung lassen sich in den meisten Faellen Einstellungen
finden, bei denen solche Nebeneffekte der Wahrnehmung entzogen sind.
Als Zwischenmaterial sind Pseudotransformationen allerdings
problematisch. Bereits geringe Veraenderungen oder Weiterbearbeitungen lassen
unter Umstaenden die versteckten Maengel wieder voll hervortreten. Eine
eingehende Beschaeftigung mit Granularsynthese fuehrt ausserdem zu einer
Vielzahl neuer Methoden, von denen die erwaehnten Pseudotranspositionen nur ein
kleiner, sehr eingeschraenkter Teil sind (>>).
* * *
Wenn es etwas gibt, wodurch sich die Elektroakustische Musik
von der Instrumentalmusik radikal unterscheidet, dann ist es die Moeglichkeit
der Transformation von Klangmaterial. Sie eroeffnet gaenzlich neue
handwerkliche Perspektiven fuer die Musikschaffenden, die weitreichende formale
Konsequenzen haben. Ploetzlich zeigen sich formale Beziehungen zwischen den
unterschiedlichsten Klangmaterialien, die mit den traditionellen
Ordnungsschemata wie Tonhoehe und Klangfarbe nicht mehr zu erfassen sind. Der
Begriff der Klanggestalt als einer phaenomenologischen Einheit gewinnt
an Bedeutung. Komponieren ist nicht laenger ein Ordnen von Toenen, sondern eine
Art Dramaturgie von Klanggestalten auf verschiedenen Beziehungsebenen, von
denen der traditionelle 'Tonraum' nur eine und oft nicht einmal die wichtigste
ist.
Nicht zu Unrecht wird die systematische Arbeit mit
Transformation immer wieder mit Alchemie verglichen. Auch wenn es uns aus
heutiger Sicht laecherlich vorkommt, dass Legionen von mittelalterlichen
Alchemisten ihr Leben damit zugebracht haben herauszufinden, wie man wertlose
Substanzen zu Gold machen kann, so muss doch gesagt werden, dass sich in den
modernen Wissenschaften, sowie in der Elektroakustik und Computermusik durchaus
auch Parallelen dazu finden lassen. Man sollte aber nicht den Fehler machen,
fundamentale Methoden nach den menschlichen Schwaechen und Sehnsuechten ihrer
Benutzer zu bewerten.
Der Wert der Transformationen liegt nicht bloss darin, dass
man damit mechanisch neue, interessante und beeindruckende Klaenge herstellen
kann. (Diese werden inflationaer in dem Moment, in dem sich der Trick
herumgesprochen hat). Der viel groessere Wert besteht aus kompositorischer
Sicht darin, dass jede echte Transformation eine ganze Dimension an
Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschiedenen Klaengen und Klangtypen
eroeffnet: Wenn ein Klang durch Transformation eines Ausgangsklanges entstanden
ist, dann gibt es dazu wieder einen, der durch neuerliche Anwendung dieser
Transformation entsteht, und dazu wieder einen und wieder einen ... (ueblicherweise in zwei Richtungen).
Aus dieser Sicht unterscheiden wir stetige, zyklische, asymptotische, und finite Transformationen.
stetige Transformationen
Wiederholte Anwendung fuehrt zu keiner Grenze (ausser den
Grenzen des Gehoers). Jeder Zustand unterscheidet sich vom vorigen, wie dieser
vom vorvorigen. Dazu zaehlen alle echten Transpositionen: Tempo, Lautstaerke,
Frequenz- und Zeitverschiebung.
zyklische Transformationen
Wiederholte Anwendung fuehrt irgendwann wieder zum
Ausgangszustand zurueck. Dazu gehoeren die Fouriertransformation, auch
die Fraktionale Fouriertransformation, die Phasendrehung, aber
auch wrap-around (zyklische Zeitverschiebung in einem begrenzten
Speicher).
asymptotische Transformationen
Wiederholte Anwendung fuehrt nach und nach in Bereiche, in
denen sich ein neuer Zustand vom vorigen (zumindest gehoersmaessig) nicht mehr unterscheidet. Typische
asymptotische Transformationen sind die Wavelet-Transformation, sowie
einige Arten von Verzerrung.
finite Transformationen
Finite Transformationen gestatten nur einen Schritt. Jede
weitere Anwendung fuehrt zu keinem neuen Ergebnis mehr. Dazu gehoeren noise-Modulation,
oder OMS ('Ordnung muss sein', ein Verfahren, bei dem die samples eines
Klanges der Amplitude nach angeordnet werden).
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