Material
Alle sounds dieser Welt
Im Zusammenhang mit sampling-Technik kann man
bisweilen die Ansicht hoeren, dass es keinen Sinn mehr hat neue sounds zu
kreieren, weil es eh alles schon irgendwo gibt und das Ideal waere ein grosses
oeffentlich zugaengliches Archiv, von dem man die sounds jederzeit
herunterladen kann. Solcher Vorstellung liegen einige Missverstaendnisse
zugrunde: erstens eine heillose Unterschaetzung der Menge an moeglichen sounds;
zweitens eine Vernachlaessigung der Problematik der Ordnungskriterien bei
riesigen Datenmengen; und drittens eine Naivitaet gegenueber aesthetischen und
ideologischen Implikationen vorgefertigter, in jedem Fall reduzierender und
interpretierender Ordnungsschemata.
Stellt man die Frage rein formal, wieviel moegliche
samples (Bitmuster) es gibt, allein in der Limitierung von 10 Sekunden Dauer,
44.1 kHz sampling rate und 16 bit Aufloesung, dann kommt man auf eine Zahl, die
vorne irgendeine Ziffer hat und dann noch ungefaehr zweihunderttausend Nullen
oder sonstige Ziffern. (Diese Zahl in normaler Schreibschrift ausgeschrieben
haette etwa fuenfhundert Meter Laenge). Fuer den vielzitierten Affen, der, wenn
er nur lange genug herumprobiert, irgendwanneinmal eine Beethovensymfonie
findet, moechte wohl die ganze Zeitdauer des Universums nicht ausreichen.
Natuerlich enthaelt diese hypothetische Menge alle
gehoersmaessig gleichen oder aehnlichen Klaenge, alle Lautstaerkestufen,
Zeitverschiebungen, Tempovarianten, sowie alle moeglichen Unterteilungen und
Aufspaltungen. Aber selbst wenn man all diese 'Identitaeten' ausfiltert, bleibt
die Menge der moeglichen sounds noch in astronomischen Bereichen.
Ordnungskriterien und reduzierende Systematik, die
diese Menge auf ein sinnvolles, praktikables Mass reduzieren, stellen aber das
naechste Problem dar. Dergleichen Ordnungsschemata sind notwendig konservativ, aus
der Sicht der avancierten EM sogar schlicht und einfach reaktionaer:
Einteilungen nach Musikinstrumenten, nach Interpreten, nach benennbaren
Klangquellen, etc. - das alles sind vorgegebene Strukturen, die dem
experimentellen Ansatz der EM von vorneherein im Weg stehen.
Wenn ich nun zahlreiche Transformationen und
Bearbeitungen vornehmen muss, um einen Archivsound dorthin zu bringen, wo ich
ihn haben will, dann kann ich das, wenn ich die Mittel dazu beherrsche, gleich
aus Nichts oder aus Allem machen. Im ersten Fall muss ich naemlich eine Menge
systematischer Aufbereitungsarbeit leisten, die grundsaetzlich nichts zu tun hat
mit der individuellen Systematik meiner eigentlichen Komposition und somit fuer
diese verloren ist; im zweiten Fall besteht die Chance, dass die Aufbereitung
in ihrer Systematik bereits eine Grundlage der Komposition bildet: das Ganze
haelt zusammen.
Das heisst nun keineswegs, dass man mit
Archivmaterial nicht kuenstlerisch arbeiten koennte. Es geht aber
wahrscheinlich nur auf der Basis einer kritischen Auseinandersetzung, eventuell
sogar einer politischen, die den offenen oder versteckten Totalitaetsanspruch
eines Archives in Frage stellt und die Ordnungschemata blosstellt. Am besten
dann, man laesst die sounds so wie sie sind. [@1]
Praktische Bedeutung haben solche Archive eigentlich
nur im Bereich der angewandten Musik, beim Filmton, oder im Hoerspiel. Es waere
allerdings zu wuenschen, dass auch in diesen Breichen mehr Leute zum Einsatz
kommen, deren Materialverstaendnis tiefer geht und die den Anspruch haben,
gleichberechtigter Teil im kuenstlerischen Produktionsprozess zu sein.
Von einem anderen Standpunkt aus
betrachtet koennte man aber auch sagen: wir besitzen ein ideales Archiv, ein
besseres kann es gar nicht geben. Es ist die akustische Welt selbst, inklusive
der Medienwelt, die phaenomenologisch nur ein kleiner Teil davon ist. Das
Ordnungsschema darin ist das natuerliche Ordnungsschema der Welt. Das Suchen
darin gleicht daher weniger einem Blaettern im Katalog als einem
urspruenglichen Suchen und Forschen, das auch der kuenstlerischen Arbeit
adaequat ist.
Material
Der Begriff des Materials ist in der EM ein
gaenzlich anderer als in der Instrumentalmusik. Spricht man in der
Instrumentalkomposition von Material, dann meint man in der Regel verschiedene
formale Elemente und Einschraenkungen: Intervalle, Reihen, Motive und dergleichen.
In der EM hingegen meint man damit in erster Linie das - im elektronischen oder
digitalen Medium vorliegende - Klangmaterial, aus dem eine Komposition
zusammengesetzt oder entwickelt ist. Dieser Materialbegriff hat daher durchaus
Parallelen zu dem der Bildenden Kunst
(Holz, Stein, Gips ...). Tatsaechlich laesst sich Klangmaterial auch in
einem so 'handwerklichen' Sinn verstehen und mit den Werkzeugen der
Elektroakustik und Digitaltechnik bearbeiten und transformieren.
Auf die Frage, was alles Material fuer die
elektroakustische Komposition sein kann, gibt es nur eine Antwort: alles -
alles, das toent und sich in elektrische Schwingung umsetzen laesst, sowie
alles an Schwingung, das sich im elektronischen Medium selber finden laesst.
Die Vorstellung, dass das Material einer
musikalischen Komposition selber bereits 'musikalisch' sein muesse (was immer
das jetzt heissen mag), waere jedoch laienhaft. Es laesst sich beispielsweise
aus einem Klavierstueck etwas formen, das nach Regen oder Wind klingt [@2];
oder aus dem Knarren eines Segelmasten etwas, das an ferne Choere erinnert
[@3].
Die Kenntnis der Bearbeitungsmoeglichkeiten, gepaart
mit individuellen Vorlieben sind verantwortlich fuer die Materialauswahl.
Bisweilen auch einfach der Zufall.
Klanggewinnung
Klangerzeugung, oder besser: Klanggewinnung (weil auch das Finden dazugehoert),
laesst sich in zwei grosse Bereiche einteilen:
a) im elektronischen Medium
Das ist vor allem der gesamte Bereich der sogenannten Synthese (>>), sowohl
analog, als auch digital. Dazu gehoert aber auch Material, das im elektronischen
Medium vorgefunden werden kann, wie Funkgeraeusche und Kurzwellenfundstuecke und
dergleichen [@5].
b) ausserhalb des elektronischen Mediums
Aufnahmen im weitesten Sinne, aber auch Uebertragungen von Prozessen oder Strukturen,
die selber unmittelbar gar nicht akustisch sind. Den groessten Bereich nimmt dabei
naturgemaess die Mikrofonaufnahme ein. Als Beispiel einer anderen Moeglichkeit der
Uebertragung sei wenigstens die durch Magnetabnehmer erwaehnt (E-Gitarre, Fender-Piano,
Hammondorgel), wobei das Beispiel Hammondorgel auch insofern weiterfuehrt, als hier
auf magnetischem Weg eine Bewegung (rotierende Zahnraeder) uebertragen wird, die
selber akustisch gar nicht wahrnehmbar ist.
Eine zweite Unterscheidung ist die nach der Absichtlichkeit: In beiden Faellen koennen
es Klaenge und Klangprozesse sein, die eigens zur Materialgewinnung erzeugt oder
inszeniert werden [@8], oder Fundstuecke im weitesten Sinn [@7].
Technische Qualitaet des Materials
Die technische Klangqualitaet des Materials (ob es
jetzt vom tontechnische Standpunkt aus gut aufgenommen ist oder nicht; ob es
rauscht oder nicht; ob es uebersteuert ist etc.) ist nicht von allzugrosser
Bedeutung. Abgesehen davon, dass es vom kuenstlerischen Standpunkt aus durchaus
vertretbar ist und auch erwuenscht sein kann, 'unsauber' zu arbeiten, so ist nicht gesagt, dass aus sauberem
Material auch ein sauberes Ergebnis wird und umgekehrt. Gerade in einem tiefer
gehenden Verarbeitungsprozess ist man mit einem permanenten Wechsel an
technischer Qualitaet konfrontiert. Unter Umstaenden sind auch die
'Verunreinigungen' letztendlich wichtig fuer die Qualitaet des Endproduktes
(wie zum Beispiel in der Metallurgie der unvermeidliche Kohlenstoff fuer die
Qualitaet des Stahls).
Nicht selten faellt auch die Entscheidung zwischen
technisch gutem Material und technisch weniger gutem vom gleichen Sujet
zugunsten des letzteren, wenn es ansprechender ist und inhaltlich einen
besseren formalen Ansatz bietet.
Klanggewinnung
Klangerzeugung, oder besser: Klanggewinnung (weil auch das
Finden dazugehoert), laesst sich in zwei grosse Bereiche einteilen:
• im elektronischen Medium
Das ist der gesamte Bereich der
sogenannten Synthese (>>), sowohl analog, als auch digital. Dazu gehoeren
aber auch akustische Phaenomene, die im elektronischen Medium vorgefunden
werden, wie Funkgeraeusche und Kurzwellenfundstuecke und dergleichen.
• ausserhalb des elektronischen Mediums
Aufnahmen im weitesten Sinne, aber
auch Uebertragungen von Prozessen oder Strukturen, die selber unmittelbar gar
nicht akustisch sind. Den groessten Bereich nimmt dabei naturgemaess die
Mikrofonaufnahme ein (>>).
Eine zweite Unterscheidung ist die nach der
Absichtlichkeit: in beiden Faellen koennen es Klaenge und Klangprozesse sein,
die eigens als Material erzeugt oder inszeniert werden.
Elementare Klangerzeugung
Betrachtet man die traditionellen westlichen
Musikinstrumente hinsichtlich der verwendeten Materialien bzw. Elemente, dann
findet man hauptsaechlich Holz, Metall und Luft, sowie einige archaisch
anmutende Materialien, wie Haut, Haar, Knochen und Zaehne. Dazu kommen noch die Kunststoffe, die aber weniger in ihrer Eigenheit verwendet werden,
sondern eher als ein universeller Ersatz fuer alles, das teuer oder verpoent
ist (Elfenbein). Die Bereiche Wasser und Feuer fehlen praktisch zur Gaenze
(sieht man von einigen experimentellen Einzelfaellen, wie John Cage's water
gong ab). Auch Stein kommt erstaunlicherweise kaum vor (hoechstens als
Kieselsteine in irgendwelchen Rasseln, oder das selten verwendete Lithophon),
oder Glas (die verschiedenen Arten von Glasharmonikas gelten eher als
Virtuosenunikum).
Zum Teil liegt das natuerlich an der bekannten
Einseitigkeit der westlichen Kultur, die sich auch hierin ausdrueckt, zum Teil
aber sicherlich auch daran, dass verschiedene Materialien und Elemente schwerer
zu handhaben sind, oder, dass die akustisch interessanteren Prozesse ihrem
Wesen nach destruktiv sind, oder zumindest nicht so leicht wiederholbar
und standardisierbar sind.
In der EM war das von Anfang an anders:
ungebraeuchliche Materialien wurden entdeckt, aber auch ungebraeuchliche
Verwendung der ueblichen Materialien. Die grundsaetzliche Moeglichkeit der
Transformation, vor allem Lautstaerke-Transposition und Tempo-Transposition
erschlossen auch Materialien, die sich ansonsten dem Gehoer oder einer
musikalischen Verwendung entziehen, weil ihr Eigenklang zu leise ist, oder ihr
Schwingungsprozess zu schnell oder zu langsam.
Eine systematische Uebersicht darueber zu geben ist
unmoeglich. Man muss sich auch klar darueber sein, dass eine Einteilung nach
Materialien oder Elementen (wobei allein der Begriff Element die ganze
Spannweite des Wandels seiner Bedeutung von der Antike bis heute enthaelt) nur
nach einem Gemisch von Kriterien moeglich ist, die nicht unbedingt
akustische sind. Feuer, als das beste Beispiel, hat ueberhaupt keinen eigenen
Klang. Was daran klingt sind die Materialien, die brennen, Wasser, das
verdampft und Luft, die in Bewegung geraet.
Destruktive Klangerzeugung
Mit destruktiv sind hier ganz einfach
Klangprozesse benannt, in denen deren eigene Voraussetzung aufgeloest oder
zerstoert wird und die somit nicht mit denselben Dingen wiederholt werden
koennen. Das reicht vom zersplitternden Glas bis zum schaeumenden Champagner.
Anders als in der Performance steht aber in der EM nicht eine plakative, einmalige
Zerstoerung irgendwelcher Objekte oder Materialien im Vordergrund. Da es in erster Linie um die
Materialbeschaffung, um die Aufnahme geht und nicht um den virtuosen
aggressiven Akt, ergeben sich gaenzlich andere akustische und formbildende
Konsequenzen.
Nicht das Verbrennen eines Klavieres oder das
Zerschmettern einer Geige sind in der EM die verbreitetsten klangerzeugenden
Prozesse, sondern wesentlich unspektakulaerere Prozesse, wie Zerreissen von
Papier, Zerknittern von Folien, Aussschuetten von Erbsen, Plaetschern in
Wasser, Bleigiessen - um nur einige zu nennen.
Neben der Erzeugung von seltsamen 'sounds', die
bisweilen ja doch nur in der Beliebigkeit und Austauschbarkeit von
Samplingtechnik und Sequenzen versinken, zeigt die destruktive Klangerzeugung
tatsaechlich einen voellig neuen formalen Aspekt: die analytische Verwendung
der zugrundeliegenden Klangprozesse als formalen Anhaltspunkt einer
kuenstlerischen Auseinandersetzung.
Ein einfaches Beispiel: spaltet man ein Stueck Holz zu
Kleinholz, dann fallen mit jedem Schlag zwei Teile voneinander, die beim
Aufschlagen am Boden untertschied-lichen Klang geben. Jedes dieser Teile kann
wieder gespalten werden, bis das Kleinholz fertig ist. Der Prozess kann dann
zwar als Typus wiederholt werden, nicht aber in seiner Individualitaet. Hat man
nun eine gute Aufnahme davon, dann hat man dreierlei: erstens den integralen
Prozess als Klang, der als Ganzes transformiert und mit anderem kombiniert
werden kann; zweitens eine Fuelle von Einzelklaengen, die in einem bestimmten
Zusammenhang stehen (in diesem Falle eine 'tree-Struktur'); drittens eine
natuerliche zeitliche Struktur, die aus dem Prozess herausanalysiert werden
kann. Neben dem akustischen Material sind somit von vorneherein auch formale
Voraussetzungen gegeben, auf die sich eine ganze Komposition beziehen kann.
Die Herangehensweise reicht von der Aufnahme
vorgefundener Situationen, ueber die bewussten Inszenierung alltaeglicher
notwendiger Prozesse, bis hin zu Modell-Inszenierungen, die nur dem Zweck der
Klangerzeugung dienen.
Recycling
Verbreitet ist die Methode, bereits bestehende Musik
oder Musikteile wieder zum Material zu deklarieren, sie einfach anders zu
kombinieren oder einem tiefergehenden Arbeitsprozess auszusetzen. Ausser
eventuellen urheberrechtlichen Schwierigkeiten gibt es hier keine Grenzen.
Ein spezielles Problem stellt die bereits im
elektronischen Medium vorgefundene Musik dar.
Die Methode, sich aus dem Fundus des Mediums einfach
zu bedienen, ist wohl zur Zeit die verbreitetste Art der Materialbeschaffung
ueberhaupt, freilich nicht zuletzt deshalb, weil sie auch die bequemste ist.
Die innere Einstellung dazu kann aber sehr verschieden sein. Sie reicht vom Zitieren,
Variieren bis zum Fladern. (Fladern ist nicht gleich 'Stehlen', es
beinhaltet auch das vorsaetzliche Unkenntlichmachen, etymologisch steht es
wahrscheinlich fuer 'Umlackieren').
Darueberhinaus ist aber auch eine kritische
Einstellung zu Musik im Medium (und in den Medien) moeglich, insofern sie auch
Umweltphaenomen ist, dem wir heute ausgesetzt sind wie dem Strassenverkehr und
dem Brummen der Linienfluege (dem wir auch in den abgeschiedensten Gegenden
dieses Planeten nicht entkommen). [@5] Allerdings waere es dann auch
konsequent, den typischen sound der trivialen Apparaturen miteinzubeziehen,
durch die wir diese akustische Welt im Alltag wahrnehmen: Fernseher, Autoradio,
etc..
Instrumentalklaenge als Material
Unsere traditionellen Musikinstrumente haben einen
langen historischen Entwicklungsprozess durchgemacht, sie sind 'gewachsen',
gereift, perfektioniert hinsichtlich gewisser Anforderungen.
Diese Anforderungen sind am allerwenigsten
ein 'schoener' Klang, sondern ein gleichmaessiger, ausgewogener, verlaesslicher
Klang, der in einem musikalischen Kontext (Tonsystem, rhytmisches System,
Orchester-klang) optimal verfuegbar
ist. Das hat seinen Preis: die Individualitaet.
Aus der Sicht der Klanggewinnung ist daher der Wind,
der durch eine Ritze pfeift, unter Umstaenden interessanter als ein
Floetensolo; ein Draht, der zufaellig an einem Gartenzaun gespannt ist oder ein
Kohlepaket zusammenhaelt, aufregender als Klaviersaiten. Auch schlechte und
billige Instrumente oder Kinderinstrumente sind vom individuellen
Materialstandpunkt aus oft geeigneter als ihre hochwertigen, ausgereiften
Pendents.
Tatsaechlich ist es die Aufgabe guter Musiker,
Individualitaet auf einer hoeheren Ebene wieder aus den Instrumenten
herauszuholen.
Musikinstrumente wird man zur Materialgewinnung
daher am ehesten dann einsetzen, wenn man gleich groessere Formzusammenhaenge
verwenden moechte, Phrasen, Motive, ganze Abschnitte und Stuecke. Natuerlich
aber auch aus subjektiven Gruenden, etwa wenn man einen persoenlichen Bezug zu
einem Instrument hat oder zu einem Ensemble. Aehnliches gilt auch fuer die
Singstimme, die als Material nicht die Reichhaltigkeit von Sprache oder
Tierstimmen aufweist.
Aus der Fuelle von Werken, die Instrumentalklaenge
als Ausgangsmaterial verwenden, seien hier nur willkuerlich einige aufgelistet:
Katharina Klement: TEXTUR - Klavier (und andere Materialien)
Guenther Rabl: LANDSCHAFT - Klavierimprovisationen von Friedrich Gulda
Yves Daoust: QUATUOR - Streichquartett
Rolf Enstroem: FRACTAL - Streichinstrumente
Guenther Rabl: EVE - Kontrabassklaenge und -motive
Guenther Rabl: BELCANTO - Clavichord- und Celloetuden
Katharina Klement BRANDUNG I - Geige (und andere Materialien)
Guenther Rabl: ODYSSEE - Floetenmotive von Martina Cizek
Andrzej Dobrowoski: STUCK FUER TONBAND UND OBOE SOLO - Oboe
Juraj Duris: PORTRET - Becken
Michael Obst: KRISTALLWELT - Gamelan-Intrumente (Gongs)
Tommy Zwedberg: HANGING - schwedische Lyra (mit Bogen gespielt)
Ludger
Bruemmer: THE GATES OF H. - bulgarische
Frauenchoere
Iannis Xenakis: HIBIKI HANA MA - Orchester
Sprache als Material
Fuer die menschliche Stimme, insbesondere fuer
Sprache gilt, dass in diesem Bereich unsere Wahrnehmung extrem geschult ist und
dementsprechend differenzieren kann. Wir hoeren nicht nur die musikalischen und
akustischen Formen, wir erkennen auch den Charakter der Menschen, die da
sprechen oder singen. Wer diese Ebene nicht beachtet, laeuft leicht Gefahr sich ungewollter Komik auszusetzen. Selbstverstaendlich koennen auch Laien-Sprecher eingesetzt werden, aber es ist in jedem Fall auf Charakter und Originalitaet zu achten.
Als Material betrachtet, ist Sprache reichhaltiger als Gesang. Es kommen mehr und diffizilere Melodien darin vor als in irgendeiner Singstimme, feinere und kompliziertere Rhythmen, sowie jede Menge interessanter Geraeusche. Die Bedeutung des gesprochenen Wortes kann dabei voellig in den Hintergrund treten. Sehr gerne werden Sprachpartikel auch fuer granulare Strukturen verwendet. Von den unzaehligen Beispielen hier nur einige willkuerlich ausgewaehlte:
Arne
Nordheim: SOLITAIR
Pierre
Henry: APOCALYPSE DE JEAN
Guenther
Rabl: STEINBUTT-VARIATIONEN
Manuel Rocha
Iturbide: MOIN MOIRE
Klaus Hollinetz: MORAVAGINE
Verfremdung
Der Terminus stammt urspruenglich aus der Bildenden
Kunst, aus der Fotografie und aus dem Theater (Bert Brecht: V-Effekt). Er
bedeutet im wesentlichen eine Veraenderung innerhalb der Grenzen des
Erkennbaren, bzw. eine bestimmte Spielweise, die eine distanzierte oder neue
Betrachtungsweise ermoeglicht. In Zusammenhang mit EM wird er von Laien und
Halbfachleuten gerne in der Bedeutung verwendet, dass die Herkunft eines
Materials verschleiert werden soll. Das aber ist ein Kapitel Urheberrecht und
hat mit Musiktheorie nichts zu tun. Der Begriff Verfremdung reicht in diesem
Zusammenhang weder inhaltlich noch formal aus, die Fuelle an Methoden der
Materialbearbeitung in der EM auch nur annaehernd zu beschreiben.
top
@1 |
Dieter Kaufmann:WIENER WERKEL |
@2 |
Guenther Rabl: LANDSCHAFT |
@3 |
Bill Schottstaedt: LEVIATHAN |
@4 |
Christian Teuscher: NACHTLAUT |
@5 |
Karlheinz Stockhausen: TELEMUSIK |
@6 |
Fundstuecke aus dem Kurzwellenempfaenger
Katharina Klement: 13 MINIATUREN
Die letzt der Miniaturen enthaelt als Elemente Tempo-Beschleunigungen aller 12 vorangegangenen
Miniaturen |
@7 |
Guenther Rabl: ATEM
Diese Komposition basiert, wie der Titel schon andeutet, auf Atemgeraueschen. Ab
dem zweiten Abschnitt (von insgesamt acht) werden jeweils andere Aussenaufnahmen
aus dem laendlichen Raum als Material eingefuehrt und verarbeitet.
Abschnitt 2: Das Verladen von Rindern
Abschnitt 3: Blasmusik
Abschnitt 4: Kirchenglocken
Abschnitt 5: Sirene
Abschnitt 6: Lautsprecherwagen mit Durchsage
Abschnitt 7: Panzerkolonne und Kirchenglocken
Abschnitt 8: tieffliegende Jets |
@8 |
Yves Daoust: QUATUOR
Aufnahme von Motiven eines Streichquartettes |
@9 |
Mauricio Kagel: AKUSTIKA
Erstklassige Musiker 'spielen' eine Fuelle selbstgebauter Klangobjekte |
@10 |
Mauricio Kagel: EXOTIKA
Erstklassige Musiker 'spielen' eine Fuelle exotischer Musikinstrumente, die sie als
solche gar nicht beherrschen |