Tonsysteme
Vorbemerkung
Frage: Braucht man um Musik zu machen ein Tonsystem
? – Antwort: Nein.
Wer fuer sich selber diese Frage ehrlich mit Nein
beantworten will, sollte aber nicht naiv sein.
Wir leben heute ungefaehr als fuenfte Generation in
einer industrialisierten Medienkultur, in der praktisch alle musikalischen und
musikaehnlichen Produkte, denen wir, ob wir wollen oder nicht, ausgesetzt sind,
bereits ein Tonsystem transportieren.
Desgleichen der Instrumentenbau: von jeher
experimentell auf der einen Seite, konservativ auf der anderen. Praktisch alle
Musikinstrumente der vom Westen ausgehenden globalen Musikkultur (mit Ausnahme
der Perkussionsinstrumente) sind fuer ein Tonsystem gebaut, allen voran die
elektronischen Instrumente mit ihren keyboards. Industriell gefertigt,
nach Marktstrategien gestaltet, sind sie nicht bloss konservativ: sie
konservieren ein Tonsystem nicht mehr, sie zementieren es.
Ohne Tonsystem zu arbeiten bedarf daher schon einer
bewussten Ablehnung.
Am ehesten findet man nicht-systembezogene Musik
oder Audiokunst noch im Grenzbereich von Musik und Bildender Kunst oder
Architektur, wobei die Systematik auf anderen Ebenen stattfindet: skulpturale
Installationen, von Bildhauern verfertigte Instrumente und Klangobjekte [@7].
Bewertung von ungewohnten Tonsystemen
Bei der gehoersmaessigen Beurteilung von Tonsystemen
sollte man darauf achten, dass nicht Nebenumstaende die Beurteilung
beeintraechtigen. In der Instrumentalmusik wurde und wird von verschiedenen
Komponisten immer wieder der Versuch unternommen das vorhandene Tonsystem zu
veraendern oder zu erweitern (zumeist auf der Basis der gewohnten
zwoelftoenigen Stimmung: Vierteltoene, Sechsteltoene, etc.). Stuecke fuer zwei
zueinander um einen Viertelton versetzte Klaviere sind nicht selten (Charles
Ives); desgleichen Viertelton- und Sechstelton-stuecke fuer
Streichinstrumente (Alois Haba). Nicht wenige Musiker und
Komponisten haben sich zu diesm Zweck eigene Instrumente anfertigen lassen (Alois
Haba, Wischnjegradski).
Dabei gilt es folgendes zu bedenken: Die
Sonderanfertigungen von Musikinstrumenten sind selten von erster Qualitaet. Wer
zum Beispiel ein Vierteltonklavier in Auftrag geben will, muss froh sein, wenn
er ueberhaupt einen Klavierbauer findet, der das macht. Kaum wird man die
renommierten Firmen dafuer gewinnen koennen und selbst wenn, koennte man das
kaum bezahlen. Zu viele Schwierigkeiten sind damit verbunden, die genaugenommen
jahrelange Entwicklungsarbeit benoetigten. Ein solchermassen modifiziertes
Klavier kommt klanglich an die grossen Marken der Konzertfluegel nicht heran.
Und dann werden diese Instrumente, wie auch die Musikstuecke ueberhaupt,
selten von den allerbesten Musikern gespielt, oder von Musikern, die darauf ebenso
trainiert sind wie auf den traditionellen Instrumenten.
Streichinstrumente hingegen, auf denen man scheinbar
alles spielen kann, muessen eingespielt werden. Nicht nur die Musiker, die
Instrumente selber muessen eine neue Stimmung 'lernen'. Das gilt auch fuer
gegeneinander verstimmte Klaviere. Das um einen Viertelton herabgestimmte
Klavier klingt deutlich matter und, wenn man sich nicht die Muehe nimmt, es
einige Tage setzen zu lassen und mehrmals nachzustimmen, effektiv falsch.
Das alles darf man nicht den ungewoehnlichen
Stimmungen anlasten. Das uns vertraute abendlaendische Tonsystem wuerde unter
aehnlichen Umstaenden genauso matt und ungelenk erscheinen.
In der EM gilt das alles nicht. Derartige Probleme
existieren da nicht, aber es gibt auch keine Ausreden. Die Verhaeltnisse sind
hier geradezu umgekehrt: Stuecke, die bewusst die traditionelle Klavierstimmung
verwenden, sind eine Seltenheit, in den meisten Faellen eher ein Zeichen von
Amateurhaftigkeit und mangelnder kompositorischer Reflexion.
Viele der namhaften Komponisten in der EM haben
daher vom ersten Moment an mit anderen, neuen Stimmungen experimentiert, sei es
nun gehoersmaessig intuitiv, wie Francois Bayle, oder konstruktiv, wie Karlheinz
Stockhausen. Auch das Aufeinandertreffen von beliebigen,
'aussermusikalischen' Klaengen in der musique concrete hat von Anfang an die Bedeutung eines
universellen Tonsystems in Frage gestellt.
Intervalle und Proportionen
Bei der Beschaeftigung mit Tonsystemen hat man
unweigerlich mit Zahlen zu tun. Manche Musiker hoeren das nicht gerne, weil sie
die kuenstlerische Sphaere von der rationalen mathematischen geschuetzt sehen
wollen. Die meisten Begriffe aber, die sie verwenden, sind nichts weiter als
kaschierte Zahlen, die noch dazu den Nachteil haben, dass sie durch ihre
ungeschickte Benennung einer algebraischen Verknuepfung nur schwer zugaenglich
sind.
Allein die Notennamen der diatonischen Skala
(urspruenglich mit A beginnend und mit B statt H an zweiter Stelle, wie heute
noch im anglikanischen Sprachraum) sind die ersten 7 Buchstaben unseres
Alphabets und somit nichts weiter, als die alten griechischen Zahlzeichen
(α,β,γ,δ....) vor Einfuehrung der roemischen Ziffern und lange vor Einfuehrung
unserer heutigen arabischen (urspruenglich indischen Ziffern). Die Bezeichnung
der Intervalle (Prim, Sekund, Terz, Quart, Quint, Sext, Septim, Oktav) sind
ebenfalls nichts weiter als lateinische Ordinalzahlen fuer die erste bis siebte
Stufe der diatonischen Skala. Wollte man aber daraus Rechenregeln ableiten,
dann wuerde beispielsweise die Tatsache, dass eine Quint und eine Quart
uebereinander eine Oktav ergeben, so aussehen:
Quint
+ Quart = Oktav
5. + 4.= 8.
Bedient man sich der arabisch-indischen Ziffern und
beginnt bei 0 statt bei 1, dann lautet dieselbe Formulierung etwas
transparenter:
4 + 3 = 7
Und in Halbtonstufen gedacht:
7 + 5 = 12
Es hat natuerlich durchaus etwas Reizvolles und
Ueberschaubares, wenn man einzelnen Toenen Namen geben kann und seien es auch
nur die Anfangssilben eines Lehrgedichtes ut-re-mi-fa-sol-la (Guido
von Arezzo), oder sa-ri-ga-ma-pa-dha-ni in den indischen Ragas.
Solche Bezeichnungen haben aber in der Regel ganz bestimmte urspruengliche
Bedeutungen, die einem festen Weltbild zugehoeren und auf die Annahme eines Grundtones
bezogen sind. (In der EM gibt es sehrwohl auch Benennungen, besonders dort, wo
mehrere Personen zusammenarbeiten und kommunizieren muessen, sie sind aber
individuell und betreffen weniger abstrakte Kriterien als Klangcharaktere,
Formen und Prozesse). [L3]
Wir haben es mit mehreren Aspekten von Zahlen zu
tun, die man nicht verwechseln sollte:
Ordinalzahlen bei der Numerierung der Stufen einer Skala (bitte mit 0
beginnend) oder bei der Numerierung der Teiltoene eines Spektrums (bitte mit 1
beginnend); Proportionen als ganzzahlige Brueche oder Gleitkommazahlen (floatingpoint
numbers) fuer Intervalle.
Intervalle sind Proportionen. Eine reine Oktave
zum Beispiel ist definiert als das Verhaeltnis des zweiten Teiltones in einer
linearen Teiltonreihe zum ersten (Grundton), als 2:1 oder als Bruch geschrieben 2/1 oder als floatingpoint 2.000...
Eine reine Quint
dementsprechend als 3:2 oder 3/2 oder 1.500...
Die Differenz dieser beiden Intervalle ergibt sich
durch (2/1) / (3/2) = 2*2 / 1*3 = 4/3
oder 2.000/1.5000 =
1.3333, das ist eine reine Quart.
Um hingegen das Verhaeltnis zweier Intervalle zu
finden, also die Proportion von Proportionen, bedient man sich des Logarithmus.
Das Verhaeltnis der Oktave zur Quint ist demnach log(2) / log(1.5) = 1.7095...
Das
heisst: die Oktav ist 1.7095 mal groesser als die Quint. (Es ist uebrigens
egal, welchen Logarithmus man dazu verwendet).
Ein Intervall unterteilen kann man auf viele Arten.
Die zwei wichtigsten sind die harmonische Teilung und die geometrische
Teilung.
Bei der harmonischen Teilung erweitert man die Proportion entsprechend und findet
damit die Zwischenstufen: 2:1 = 4:2 somit gibt es eine Zwischenstufe 4:3:2.
Die beiden Teilintervalle sind dabei nicht gleich, naemlich
Quart und Quint.
Bei der geometrischen Teilung bedient man sich der
Wurzel: 2√2 = 1.4142
Die beiden
Teilintervalle sind gleich: der sogenannte Tritonus. Nach demselben Schema
erhaelt man auch andere Unterteilungen:
2:1 = 24:12 24:23:22:21:20:19:18:17:16:15:14:13:12 oder 12√2 = 1.05946, unser gewohnter temperierter Halbton.
Um in einer geometrischen Unterteilung die anderen
Stufen zu finden bedient man sich der Potenzen. Die Quint (als die 7.Stufe in
der chromatischen Skala, bei 0 beginnend) ist demnach 1.059467 oder 27/12
Konsonanz und Dissonanz
Die traditionelle Definition von Konsonanz und
Dissonanz gilt grundsaetzlich nur fuer eine bestimmte Klasse von Klaengen,
naemlich fuer solche mit ganzzahligen Teilton-spektren (frueher nannte man sie
etwas tautologisch musikalische Klaenge).
Fuer alle anderen – und deren
gibt es viele, die in der EM grundsaetzlich alle Verwendung finden koennen –
hat sie in dieser Form keine Bedeutung. Da gelten ganz andere, oft viel
kompliziertere Gesetzmaessigkeiten fuer den Charakter des Zusammenklanges. [@8]
Auch haengt die Art des Zusammenklanges stark von Typus und Charakter der
Klaenge ab. Die obertonreichen Klaenge der arabischen, indischen und
fernoestlichen Musikkulturen, aber auch im Jazz, harmonieren anders als die
vergleichsweise obertonarmen Klanege der westlichen Orchesterinstrumente.
Die
simple Gleichsetzung von Konsonanz mit Wohlklang und Dissonanz mit Missklang
ist aber in jedem Fall obsolet und weder musikalisch, noch gehoers-physiologisch
aufrechtzuerhalten (und auch psychologisch nur unter Einbeziehung von
Musiksoziologie fuer einen kleinen, temporaer begrenzten Kulturkreis).
(Bei den beruehmten traditionellen bulgarischen
Frauenchoeren gelten, nach Informationen von bulgarischen Kollegen, nicht Oktav
und Quint als Konsonanzen, sondern ein Tritonus und eine grosse Sekund). [@20]
In der Abstraktion durch ganzzahlige Brueche findet
man den Dissonanzgrad eines Intervalles ganz einfach durch die Summe von
Zaehler und Nenner (harmonische Tiefe). Das am wenigsten dissonante
Intervall ist demnach der Einklang
1:1 (HT=2), gefolgt von der
Oktave 2:1 (HT=3), der Duodezim
3:1 (HT=4), der Doppeloktav 4:1 und
der Quint 3:2 (HT=5).
Um solcherart eine Bewertung des Konsonanz- oder
Dissonanzgrades eines Intervalles praktisch durchzufuehren, muss man aber eine
gewisse Unschaerfe einfuehren. Neben der reinen Oktave 2:1 laegen
beispielsweise Intervalle wie
2001:1000, die nach diesem Schema als scharfe Dissonanz betrachtet
werden muessten, praktisch aber als reine Oktav gehoert werden. Eine schoene
grafische Darstellung des Konsonanzgrades der Intervalle innerhalb einer Oktav
findet sich bei Helmholtz. [L5]
Natuerliche Tonsysteme
Das wohl bekannteste natuerliche Tonsystem ist die
sogenannte Obertonreihe. Der Begriff und vor allem die Ideologie, die
sich verschiedentlich um diesen rankt – als waere die auf den Verhaeltnissen
ganzer Zahlen basierende Obertonreihe blanke Natur, ist allerdings etwas
irrefuehrend. Als Teiltonreihe gilt sie genaugenommen nur fuer ideale homogene
eindimensionale Schwingungserzeuger (ideale duenne Saiten und duenne
Luftsaeulen). Bereits unregelmaessige, oder gar praeparierte Saiten zeigen gaenzlich
andere Teiltonproportionen, die genauso 'natuerlich' sind, aber mathematisch
wesentlich komplizierter und nicht einheitlich, sondern individuell. Aber auch
saemtliche homogenen flaechigen Schwingungserzeuger (kreisfoermige oder
rechteckige duenne Platten und Membrane) zeigen voellig andere Teiltonschemata,
die ebenfalls keineswegs 'unnatuerlich' sind [L1]. Das Teiltonschema einer
rechteckigen Membran beispielsweise laesst sich beschreiben durch √(n2+m2),
wobei n und m Reihen von ganzen Zahlen sind. [@2].
Die einfachste Art sich natuerlicher Tonsysteme zu
bedienen, ist die durch die Evozierung der Teiltoene selber: Flageolette
bei den Saiteninstrumenten [@21], Ueberblasen bei den Blasinstrumenten
[@22] und nicht zuletzt auch Obertongesang.
Natuerliche Intervallsysteme
Betrachtet man nicht die Teiltoene selber, sondern
ihre Proportionen, so hat man es mit einem Intervallsystem zu tun. Das
bekannteste ist das auf der Basis von ganzzahligen Bruechen, die Grundlage der sogenannten pythagoreischen
Stimmungen, die lange Zeit eine Grundlage der abendlaendischen Musik waren
und auch heute noch im Orgelbau verwendet werden. Sie finden sich auch in
manchen neueren Synthesizern und Samplern implementiert. [@3].
Auch die vielfaeltigen arabischen und indischen Vierteltonskalen
sind, soweit bekannt ist, unter Verwendung von komplizierten ganzzahligen
Bruechen konstruiert.
Die freie Verwendung von solchen, auch reine
Intervalle genannten Proportionen fuehrt nicht notwendig zu einem
geschlossenen Tonsystem, im Gegenteil: die elementaren reinen Intervalle sind
nicht kommensurabel. Ihr Verhaeltnis (die 'Proportion der Proportionen')
ist grundsaetzlich irrational. Das Verhaeltnis einer reinen Oktave (2:1)
zu einer reinen Quint (3:2) zum Beispiel, definiert als log(2)/log(1.5) = 1.709511 ... gibt keine ganzahlige
Loesung. Anders ausgedrueckt: der Quintenzyklus trifft nirgends exakt mit dem
Oktavenzyklus zusammen, es gibt nur Annaeherungen (das beruehmte Dillemma der pythagoreischen
Stimmung, das von dem Organisten Andreas Werckmeister (1645-1706) durch
die gleichschwebend temperierte Stimmung geloest wurde).
Verzichtet man auf eine geschlossene Skala, dann
lassen sich reine Intervalle (auch solche hoeherer Ordnung) unbeschraenkt
verwenden. [@1]
Spekulative Tonsysteme
Allen Arten von Spekulationen (mathematischen,
kosmologischen, mystischen, religioesen ...) sind in der Formalisierung von
Musik keine Grenzen gesetzt. Das reicht von der Definition des barocken
Kammertones als x-te Oktave einer 'kosmischen Grundschwingung' bis zur
Festlegung von 'goettlichen Harmonien' [L2].
Auch die Pythagoraeischen
Stimmungen gehoeren im Grunde hierher, denn ihre Beschraenkung auf Intervalle, die nur aus den Quotienten
2 und 3 bestehen, ist letztlich
doch mystischen oder kosmologischen Ursprungs (Hexagon). Wuerde wenigstens die
7 noch dazugenommen, dann waeren zum Beispiel auch die als blue notes
bekannten Intervalle miteinbezogen:
|
7/6 |
eine
etwas kleinere kleine Terz |
7/5 |
eine
etwas kleinere verminderte Quint |
7/4 |
eine
etwas kleinere kleine Septim |
Letztlich zeichnen sich alle Tonsysteme, so auch die
spekulativen, durch einen bestimmten, manchmal durchaus reizvollen Charakter
aus. (Problematisch wird es nur, wenn sie sich als die allein richtigen
aufdraengen).
Ein Beispiel sei hier erwaehnt:
Der englische Uhrmacher John Harrison
(1693-1776) betrachtete die Oktave als einen geschlossenen Kreis und
unterteilte sie dementsprechend in 2pi:
2pi√2 = 1.1166
Das ergibt ein Intervall, etwas kleiner als der
reine oder temperierte Ganzton. Daraus konstruierte er offenbar eine
diatonische Skala mit etwas groesseren Halbtoenen als Restintervalle. Ein
Australier namens Lucy hat dann im vorigen Jahrhundert diese Skala zu
einer nicht temperierten 24-stufigen Skala erweitert. [@4]
Temperierte Tonsysteme
(vom lateinischen tempero, ’maessigen’, im
Sinne von ’gleichmaessig’) in denen zwischen allen benachbarten Tonstufen
dasselbe Intervall liegt (temperierter Halbton zB.). Die verschiedenen
Intervalle eines temperierten Tonsystems ergeben sich durch Potenzierung des
Basisintervalles B: In
= Bn
Alle temperierten Tonsysteme sind daher geometrische
Reihen oder Exponentialreihen. In der Regel sind sie auf die Oktav
(als einzig vollkommen ’reines’ Intervall) bezogen, es gibt aber, vor allem in
der EM, auch anderer Ansaetze.
Gleichschwebend temperierte Stimmung
Unsere heutige global verbreitete Keyboard-Stimmung 12√2
geht angeblich auf den Orgelbauer Andreas Werckmeister (1645-1706)
zurueck. Nach anderen Quellen hat der chinesische Mathematiker und
Musiktheoretiker Zhu Zaiyu (1536-1611) bereits hundert Jahre frueher
diese Stimmung fuer die chinesische Hofmusik eingefuehrt. Ausgrabungen in China
haben auch ein chromatisches Glockenspiel zutage gefoerdert, das offensichtlich
zwoeltoenig gestimmt war. Ob im Sinne einer gleichschwebend temperierten
Stimmung, laesst sich aber heute nicht mehr sagen. [@23].
Wie dem auch sei, das Grundprinzip dabei ist, dass
man die Abweichung der 12. Quint im Quintenzirkel ueber dem Grundton von dessen
7. Oktav, das sogenannte pythagoreische Komma, auf alle Quinten
gleichermassen verteilt. Damit werden Quinten und Quarten etwas ungenau (die
Quint zu 1.4983 statt 1.5, die Quart zu 1.3348 statt 1.3333), die Terzen aber
wesentlich ungenauer (grosse Terz 1.2599 statt 1.25, die kleine Terz 1.1892
statt 1.2).
Durchgesetzt hat sich diese Stimmung moeglicherweise
auch wegen der trivialen Magie der Zwoelfzahl. Sie findet sich gelegentlich
auch verbunden mit kosmologischen und mystischen Aspekten (Josef Mathias
Hauer).
Bei der Uebertragung zahlenmystischer Aspekte von
der linearen Betrachtungsweise zur logarithmischen und umgekehrt sollte man
aber vorsichtig sein. Es waere ein Irrtum, zu glauben, dass bei einer
logarithmischen Teilung der Oktave in 12 gleiche Intervalle (12√2)
die ’mystische Zahl’ 12 sich in den resultierenden Intervallen wiederfindet. Das
Gegenteil ist der Fall:
Betrachtet man diese resultierenden Intervalle als
Annaeherungen an ganzzahlige Brueche, so zeigt das so gewonnene Tonsystem eher
eine Affinitaet zur Zahl 17.
|
Halbton |
1.0595 |
ziemlich
genau 18/17 |
Tritonus |
1.4142 |
ziemlich
genau 17/12 |
grosse
Terz |
1.2599 |
ziemlich
genau 2*17/27 |
Fuer Musik auf diatonischer Grundlage, in der man
Wert auf reine Intervalle und Harmonien legt, ist diese Stimmung eigentlich
sehr hart und wird daher auch von vielen Musikern und Komponisten scharf
kritisert. Johann Sebastian Bach hat ihr trotzdem einen ganzen Zyklus
von Stuecken gewidmet, das bekannte Wohltemperierte Klavier. Man muss
sich dabei aber vor Augen halten, dass das eigentliche Instrument, fuer das er
diese Preludien und Fugen geschrieben hat, nicht ein Klavier in unserem
heutigen Sinn war, sondern das Clavichord – ein Tasteninstrument, auf dem man
intonieren kann, weil man in staendigem Kontakt mit den Saiten ist, solange sie
klingen, und damit die Haerten der Stimmung mildern.
Vierteltoene 24√2
Die Erweiterung durch Einfuehrung von Vierteltoenen bringt
uns keines der einfachen natuerlichen Intervalle reiner. Die neu hinzukommenden
Intervalle, ein Viertelton, ein kleiner Ganzton, eine verminderte und eine
neutrale Terz, sowie zwei verstimmte Quarten, zeigen eine Affinitaet zur Zahl
11.
|
1 |
1.0293 |
≈35:34 |
3 |
1.0905 |
≈12:11 |
5 |
1.1554 |
≈15:13 |
7 |
1.2241 |
≈11:9 |
9 |
1.2968 |
≈13:10 |
11 |
1.3740 |
≈11:8 |
Bedeutung haben die temperierten Vierteltoene mehr
durch ihre Notierbarkeit mit zusaetzlichen Vorzeichen in der gewohnten
Notenschrift.
Auf die Oktave bezogene temperierte
Stimmungen
Der allgemeine Ansatz fuer diesen Typus von
Stimmungen ist in der Regel, die Oktave und ein anderes Intervall (meistens die
Quint) in ein System zu bringen, wobei die Oktave rein genommen wird und das
andere Intervall moeglichst genau angenaehert werden soll. Im Falle der Quint
bedeutet das, dass das Verhaeltnis von Oktave zu Quint log(2)/log(1.5) = 1.7095 durch einen
ganzzahligen Bruch anzunaehern ist. Man findet mehrere Loesungen, wenn man
dieses Verhaeltnis mit ganzen Zahlen multipliziert:
1.7095 * 3 = 5.1285 ≈ 5
1.7095 *
4 = 6.8380 ≈
7
1.7095 *
7 = 11.9666 ≈ 12
1.7095 *10 =
17.0951 ≈ 17
...................
In der Folge sind einige markante Stimmungen auf
dieser Basis beschrieben.
5. Wurzel aus 2
Der deutsche Informationstheoretiker Werner Meyer-Eppler,
der fuer die Koelner Schule der elektronischen Musik von grosser Bedeutung war,
warf in den Fuenfzigerjahre bereits die Frage auf, warum sich die Muiker und
Komponisten nicht des grossen Ganztones 8:7 bedienen, von denen ziemlich genau
5 auf eine Oktave gehen: eine Art temperierte Pentatonik, die ziemlich genau
mit der als pelog bekannten Skala der indonesischen Gamelanmusik
uebereinstimmt. [@17]
Weiter unterteilt in
10√2 und 15√2 erhaelt man eine Art chromatische
Pentatonik, die sich vor allem melodisch gut einsetzen laesst.
6. Wurzel aus 2
Ganztonskala, ist in der 12√2 enthalten.
7. Wurzel aus 2
Nimmt man bei einem Keyboard nur die weissen Tasten und
stimmt die Toene so, dass alle Intervalle gleich sind (die Ganztoene etwas
kleiner und die Halbtoene entsprechend groesser), dann hat man diese Stimmung,
in der die Diatonik noch deutlich spuerbar ist. Die Quart ist etwas zu gross,
die Quint etwas zu klein (16cent),
dafuer ist die Quart in 3 gleiche kleine Ganztoene (11:10) teilbar und die
Quint in 2 neutrale Terzen. Diese Stimmung eignet sich gut fuer groeberes
Klangmaterial und wird von Komponisten/innen im Umfeld der ELAK gerne verwendet. Je nach KM geht sie ins Burleske [@5] oder ins
Fernoestliche. [@11]
Auch die chromatische Ableitung davon 14√2 ist durchaus ergiebig. [@12]
8. Wurzel aus 2
entsteht, wenn man eine temperierte kleine Terz in zwei
gleiche Intervalle teilt. Das Basisintervall ist ein grosser Dreiviertelton
(ca. 12:11), ansonsten gibt es noch die besagte kleine Terz, eine uebermaessige
Terz und einen Tritonus. [@11]
In einem der ersten digitalen Samplern, dem Fairlight,
war die chromatische Erweiterung 16√2 als Alternative implementiert. Das ist
eine sehr harte Stimmung, die aber fuer ’architektonische’ Wirkungen durchaus
brauchbar ist. [@13]
9. Wurzel aus 2
Teilt man die gewohnte temperierte grosse Terz in 3 gleiche
Schritte, dann erhaelt man diese Stimmung. Das Basisintervall ist einer guter
Dreiviertelton (ca.14:13). Darueberhinaus gibt es aber eine nahezu perfekte
verminderte kleine Terz 7:6.
Diese Stimmung kommt meist in den chromatischen
Erweiterungen 18√2 vor,
als Dritteltoene [@5], oder 36√2, als Sechsteltoene,
die ja auch die zwoelftoenige Stimmung beinhalten. Diese Erweiterung findet man
auch in der Instrumentalmusik, besonders im Streichquartett. [@14]
Der Komponist Wischnjegradski hatte auch ein eigens
angefertigtes Sechstelton-Klavier mit drei Manualen. [@15]
11. Wurzel aus 2
Eine eher ungebraeuchliche Stimmung, obwohl sie einen fast
guten Halbton (zwischen 16:15 und 17:16) als Basisintervall hat, einen etwas
groesseren Ganzton, eine gute kleine Terz und eine gute uebermaessige Terz,
aber praktisch keine Quint und keine Quart. Dennoch laesst sie sich fuer
verschiedene dramatische Effekte verwenden. Wegen ihrer Naehe zur gewohnten 12√2
wirkt sie ausgenommen ’schraeg’ [@5].
17. Wurzel aus 2
Eine der Loesungen, die man findet, wenn man die
Annaeherungen des Quintenzirkel mit dem Oktavenzirkel systematisch sucht.
Tatsaechlich sind die Quinten darin ganz gut, aber nicht tiefer wie bei der 12√2,
sondern etwas hoeher:
|
Quint
in 12√2 |
1.4983 |
0.28%
Ungenauigkiet, oder 2cent
Differenz |
Quint
in 17√2 |
1.5034 |
0.56%
Ungenauigkeit, oder 4cent
Differenz |
Es gibt aber darin keine grosse und kleine Terz, dafuer eine
neutrale, eine verminderte und eine uebermaessige, sowie einen Dreiviertelton.
[@15]
19. Wurzel aus 2
Wer Wert auf saubere Dreiklaenge legt, dem sei diese,
allerdings ungebraeuchliche Stimmung empfohlen. Wesentlich bessere Terzen, als
in der 12√2, gute Quarten und Quinten, sowie eine Reihe weiterer,
interessanter Intervalle.
|
1 |
1.0372 |
kleiner
Halbton 28:27 |
2 |
1.0757 |
dreiviertelton 15:14 |
3 |
1.1157 |
kleiner
Ganzton 10:9 |
4 |
1.1571 |
5 |
1.2001 |
kleine
Terz 6:5 (Genauigkeit 0.05%) |
6 |
1.2447 |
grosse
Terz 5:4 (Genauigkeit 2%)
|
7 |
1.2909 |
8 |
1.3389 |
Quart 4:3 |
9 |
1.3887 |
10 |
1.4402 |
11 |
1.4938 |
Quint 3:2 |
Neben diesen Eigenschaften sei aber auch noch eine andere
erwaehnt: bei Unterteilung der Oktav nach einer Primzahl (19), bildet jedes
Teilintervall einen vollstaendigen Zyklus. Das koennte kompositorisch genutzt
werden.
Nach Brian M. Ames gibt es ferner eine 19-stufige Skala, die aber
moeglicherweise nicht temperiert, sondern mitteltoenig gedacht ist.
Mikrotonale Skalen
Zu Tonsystemen mit sehr vielen Tonstufen, sogenannte mikrotonale
Skalen, gibt es viele verschiedene Ansaetze. Sie beziehen sich durchwegs
auf die Oktave und sollen in den meisten Faellen die reinen Intervalle
moeglichst gut annaehern. Kompositorisch sind sie insofern problematisch, als
sie zu viele formale Moeglichkeiten bieten, die sich leicht in Belanglosigkeit
verlieren und auf Instrumenten mit praktischen Intonationsschwankungen auch oft
nicht mehr nachvollziehbar sind. Treibt man die Feinabstufung zu weit, dann
wird sie zum Raster, das kaum mehr kompositorische Bedeutung hat.
31. Wurzel
aus 2
Der hollaendische Astronom und Physiker Christian Huygens
(1629-1695) unterteilte die Oktave in 31 Stufen, wodurch viele reine Intervalle
sehr gut angenaehert werden:
|
2 |
1.0457 |
3 |
1.0694 |
5 |
1.1183 |
Ganzton
9/8 |
5.0% |
6 |
1.1436 |
Ganzton
8/7 |
0.5% |
7 |
1.1694 |
Terz
7/6 |
1.5% |
8 |
1.1959 |
Terz
6/5 |
1.9% |
9 |
1.2229 |
Terz
11/9 |
0.3% |
10 |
1.2506 |
Terz
5/4 |
0.2% |
11 |
1.2788 |
Terz
9/7 |
2.2% |
13 |
1.3373 |
Quart
4/3 |
1.0% |
15 |
1.3985 |
Tritonus
7/5 |
0.3% |
Der hollaendische Komponist Adriaan Fokker entwarf 1950 dafuer ein Orgelmanual.
Auch der legendaere Synthesizer Mini-Moog ist in diese Stimmung
umschaltbar, allerdings auf einem herkoemmlichen Keyboard. (Die urspruengliche
Stimmung von Huygens ist moeglicherweise nicht temperiert gemeint, sondern
mitteltoenig).
43. Wurzel aus 2
Der amerikanische Komponist Harry Partch (1901-1976)
verwendete seit den Dreissigerjahren eine 43-stufige Skala, konstruierte eigene
Instrumente dafuer und versammelte ein spezialisiertes Ensemble von Musikern um
sich, die seine Kompositionen spielten. [@19] Untersucht man die Skala, so
faellt auf, dass vor allem der Halbton 16:15 fast vollkommen rein darin
vorkommt, ferner ein kleiner Halbton 21:20, sowie ein Viertelton 36:35.
53. Wurzel aus 2
Der aus der Tuerkei stammende Musiker Memo
Guenesch Schachinger, Leiter des Hasret-Ensembles, vertritt
eine 53-stufige, vemutlich temperierte Skala, mit der sich, wie er sagt, die
Tonsysteme aller Kulturen darstellen lassen. Tatsaechlich sind in dieser
Temperierung viele ganzzahligen Proportionen sehr rein angenaehert.
Schachinger verwendet diese Feinstimmung, um verschiedene, vor allem
tuerkische und persische Tonskalen mit der europaeischen Stimmung zu verbinden.
[@18]
72. Wurzel aus 2
Franz Richter Herf, Salzburg: ’Ekmelische Musik’
Temperierte, nicht auf die Oktave bezogenen
Stimmungen
13. Wurzel aus 3
Verschiedene Musikinstrumente (zB. die Klarinettenfamilie)
oder verschiedene Spielweisen (in der Mitte angerissene Saiten) produzieren
Spektren, in denen praktisch keine Oktave sowie auch kaum andere geradzahlige
Teiltoene vorkommen. Fuer solche Klangtypen mit praktisch nur ungeradzahligen
Teiltoenen 1-3-5-7-9 ... koennte
man sehr gut eine eigene Stimmung konstruieren, die nicht auf Oktav, Quart und
Terz aufbaut, sondern auf den Intervallen 3:1 (Duodezim), 5:3 (gr.Sext), 7:5 (Tritonus), 9:7
(uebermaessige Terz), 11:9 (neutrale Terz) ...
Eine gute Loesung dafuer ist 13√3.
In dieser Stimmung sind folgende Intervalle enthalten:
|
1 |
1.0882 |
25:23 |
2 |
1.1841 |
13:11 |
3 |
1.2886 |
9:7 |
4 |
1.4022 |
7:5 |
5 |
1.5258 |
6 |
1.6604 |
5:3 |
7 |
1.9068 |
21:11 |
8 |
1.9661 |
9 |
2.1395 |
15:7 |
10 |
2.3288 |
7:3 |
11 |
2.5335 |
12 |
2.7569 |
13 |
3.0000 |
3:1 |
Beispiele fuer die Anwendung dieser Stimmung kenne ich
allerdings nur als Demo.
25. Wurzel aus 5
Schon bei seinen ersten elektronischen Studien
experimentierte Karlheinz Stockhausen mit anderen Stimmungen. Dabei
bezog er sich auf einen reinen Halbton
16:15 = 1.06667, den er sehr gut durch 25√5 = 1.0665
annaehern konnte. Die uebrigen Intervalle der Skala ergeben kaum andere reine
Intervalle, am ehesten noch eine grosse Sext, aber keine Quart, keine Quint und
auch keine reine Oktav. [@9] [@10]
top
@1 |
Guenther
Rabl: FAREWELL TEMPERED PIANO Darin gibt es ein Intervallsystem aus reinen ganzzahligen Bruechen, aber kein
fixes Tonsystem. Der Algorithmus, der die Tonfolgen generiert ist im Gegenteil
so konzipiert, dass im Verlauf eines Stueckes dieselbe Tonhoehe nicht nocheinmal
vorkommt (mit Ausnahme von gelegentlichen Rueckschritten von 4 bis 5 Toenen). Ein 'Grundton' existiert nicht, waehrend der Intervallvorrat - fuer jedes
Stueck ein typisch anderer - genau definiert ist. |
@2 |
Guenther
Rabl: GROSSE FUGE Das Teiltonspektrum einer rechteckigen Membran im Goldenen Schnitt (mit einem
Seitenverhaeltnis von 1:1.618) fungiert als Tonsystem fuer Schichtungen aus
mehrfachen Resonanzen (ein Resonator fuer die Tonhoehe, ein jeweils zweiter als
'Corpus'). Im Mitttelteil dieser 41 Minuten dauernden Schichtungen, in dem
fallweise bis zu 200 Stimmen zusammenklingen, rekonstruiert sich der Gesamtklang
des Systems. Am Anfang und am Ende dominieren die beiden 'Grundtoene'. |
@3 |
Gottfried Martin: ELEGIA 'Klagelied
in pythagoreischer Stimmung' |
@4 |
Guy Fleming: CUT INTO
THE PRESENT und MELANCHOLIC ADAGIO beide
Stuecke in der sogenannten Lucy-Harrison scale |
@5 |
Guenther
Rabl: BETIRI |
5.1 |
Das Motiv
fuer den Holzfaeller Celhabe, Betiris Vater, (Strophe 4) ist in 7√2
gehalten, allerdings ueberlagert von einer stetigen Abwaertsbewegung. |
5.2 |
In Strophe
17 findet sich das Celhabe-Motiv auf einen anderen
Klangtypus uebertragen wieder und in einer anderen Stimmung, die nicht mehr
burlesken Charakter hat sondern unruhigen, bedrohlichen: 11√2 |
5.3 |
Der muikalische Trugschluss in Strophe 30 (die Katastrophe ist
scheinbar vorbei, dennoch fehlt noch etwas) ist in 18√2
gehalten. Bezeichnet man die 18 Tonstufen chromatisch mit Buchstaben, dann
reicht die Skala von A bis R. Der letzte Vierklang vor der Aufloesung ist
in diesem Sinne ein Art Signatur: R-A-B-L |
@6 |
Friedrich Gulda / Guenther Rabl: LANDSCHAFT MIT PIANIST Im
Zuspielteil auf Tonband ist die Klavierstimmung fuenffach verfeinert: 60√2 Diese
bereits mikrotonale Stimmung ist aber auf drei Skalen zu je 16 Stufen
aufgeteilt,
in denen die 12 Tonstufen des Klaviers ausgespart sind. In der Windszene am
Schluss hoert man das chromatische Totale dieser Feinstimmung als dichtes Rauschen. |
@7 |
Limpe Fuchs: MUUSICCIA |
@8 |
Guenther Rabl: TRIO I Als
Klangmaterial dienen Aufnahmen von ’praeparierten’ Kontrabass- und
Cellosaiten,
die an einer bestimmten Stelle mit einem bestimmten Gewicht versehen sind
(eine Arbeit mit Zentimetermass und Apothekerwaage),
sodass das Teiltonspektrum auf eine ganz bestimmte, definierte
Weise veraendert wird, die auf allen
Tonstufen
dieselbe Charakteristik hat. Darin gibt es keine Oktaven mehr, keine Quinten,
keine
Quarten, keine Terzen..., sondern stattdessen gaenzlich andere Intervalle, die
mit ganzzahligen Bruechen nicht mehr zu beschreiben sind. Diesem Spektrum ist
eine eigene temperierte Stimmung eingepasst, die
die wichtigsten der neuen Intervalle sehr
gut abdeckt. Die so gewonnene Stimmung zeigt kaum eine Hierarchie
an
Konsonanzgraden, sondern eher eine gleichmaessige Verteilung, in der auch
die
kleinen Intervalle durchaus als konsonant gelten. |
@9 |
Karlheinz Stockhausen: STUDIE I |
@10 |
Karlheinz Stockhausen: GESANG DER JUENGLINGE |
@11 |
Guenther Rabl: MAERCHEN Die
Klaenge einer Nagelgeige (mit einem Geigenbogen gestrichene
abgestimmte Stahlstifte) sind darin gehoersmaessig so gestimmt, dass sie einmal 7 Toene pro
Oktav und einmal 8 Toene pro Oktav ergeben. Beide Stimmungen kommen am Anfang
und am
Ende parallel (ohne gemeinsame Tonhoehe) vor. |
@12 |
Thomas Gorbach: WENN DIE LANDSCHAFT AUFHOERT |
@13 |
Guenther Rabl: STYX |
@14 |
Guenther Rabl: BELCANTO |
@15 |
Alois Haba: STREICHQUARTETT in Sechsteltoenen |
@16 |
Gulda / Anders / Rabl: Probenmitschnitt,
Weissenbach 1980 Ein
Zusammentreffen der gewohnten 12√2 am Clavichord und 17√2
am Kontrabass |
@17 |
Hoefische Gamelanmusik aus Bali (pelog) |
@18 |
Hasret Ensemble: Abdul Qaadir Maraghi (Iran,
14.Jhdt), Kare Mouchteschem |
@19 |
Harry Partch: WINDSONG |
@20 |
Bulgarische Frauenchoere |
@21 |
Guenther Rabl: FLASCHENPOST Das zweite
Stueck dieser Sammlung, ’Zum Henker’, ist ein playback-Duo von
zwei Kontrabaessen, die nahezu nur flageolette gespielt werden, vornehmlich auf
den beiden hoeheren Saiten, somit in zwei, um eine
Quart verschiedenen Obertonreihen. |
@22 |
Guenther Rabl: Grillrost und Obertonfloete eine
Materialimprovisation 1974: ein langes, duennes Kupferrohr mit
einem
Blockfloeten-Mundstueck. Der Anblasdruck bestimmt die Selektion des
Obertons,
durch Verschliessen der Oeffnung erhaelt man eine zweite Obertonreihe, eine
Oktave tiefer als die erste, aber mit nur ungeradzahligen Teiltoenen. Zwischen diesen
beiden kann hinundher gesprungen werden. |
@23 |
Chinesisches Glockenspiel
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L1 |
Ernst Florens Friedrich
Chladni:
KLANGFIGUREN |
L2 |
Johannes Kepler: WELTHARMONIE |
L3 |
Guenther
Rabl: Urspruenglicher Programmtext zu MUGL ENTSTEIGT (1977) Die Notwendigkeit Klaenge zu benennen, um mit ihnen
kompositorisch arbeiten zu koennen,
erweckt sie zu neuem Leben. Sie wachsen in eine Ordnung - nicht nur abstrakter
Formprinzipien,
sondern zugleich einer phantastischen Begrifflichkeit. Mit der Komposition entsteht
zugleich eine Mythologie,
die die ihrer Umwelt entrissenen und mannigfach bearbeiteten
Klaenge mit der
Gedankenwelt
verbindet.’ |
L4 |
Hermann
v. Helmholtz: DIE LEHRE VON DEN TONEMPFINDUNGEN |