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CAVE
Unter diesem Titel sind vier sehr unterschiedliche Stücke
zusammengefasst. Vom Duktus und von der Machart her: eine „Erzählung”,
„ein Gemälde”, eine Collage und eine Reihe von
Metamorphosen. Gemeinsam ist ihnen die Entstehung aus einer Experimentiersituation
mit ungewöhnlicher Lautsprecheraufstellung für die Bewegung
von Klang im Raum. CAVE nenne ich eines der Programme, die ich
dafür entwickelt hatte. CAVE bezieht den realen Raum, in
dem sich die Zuhörer befinden (die „Höhle”
– ganz nach Plato) in die Gesamtwirkung mit ein. Von diesem
Ausgangspunkt aus entwickeln sich die vier Arbeiten in unterschiedlichste
Richtungen. |
cover: trace of sound movement (G.Rabl),
art work by Sophie Thun
supported by: SKE-Fond, Land Steiermark |
Daniel Lercher
EKSEM (norwegisch, „Ekzem”)
Computermusik, 7-kanal, 11 min, Stereofassung 2011/12
Als Klangmaterial dienten zum Grossteil Aufnahmen meiner Bassklarinette
vom Sommer 2011 im Alten Sägewerk in Rapottenstein. Ich spielte
dafür einige kurze Motive ein, die ich später am Computer
transformierte. Im zweiten Teil des Stückes kommen auch Aufnahmen
von Regentropfen, die auf ein metallisches Fensterbrett prasseln,
dazu. Dabei wird die rhythmische Struktur des Regens auf das physikalische
Modell eines schwingenden Stabes übertragen. Der Abschnitt
endet mit einer Aufnahme von kochendem Griessbrei.
Im letzten Teil des Stückes verwende ich einen kurzen Ausschnitt
eines Vortrags des englischen Philosophen und Schriftstellers
Alan Watts, in dem er inhärente Prozesse des menschlichen
Organismus mit Musik vergleicht. Die Sprache wird dabei mit dem
Frequenzspektrum der Klarinettenaufnahmen fusioniert. |
Vinzenz Schwab
DINGS #2
„Der Ton ist ein dickes Waldtier”
Computermusik, 6-kanal, 14 min, Stereofassung 2011/12
Ein 6-stimmiges Stück, das mittels der Routine CAVE auf 6
Lautsprecher im Raum verteilt wurde. Es ist das zweite in einer
Reihe von Mehrkanalkompositionen namens „Dings”.
Die Klänge und Geräusche habe ich im Winter 2011/12
in der Bourgogne und im Waldviertel aufgenommen. Vordergründig
bildet die Komposition den
Abschluß einer Phase des Suchens und Sammelns – wie
ein wildes Schwein.
Hintergründig sind die „langgestreckten lautlichen
Bedeutungshügel ein ver-nünftiges Anpassen an eine doch
mehr als weniger ausgesuchte Alleinigkeit”.
Verwendete Klänge : Ameisen, Arbeitsgeräusche, Baßzither,
Cello, Donner, Donnerbleche, Eulen, Feedbacks, Feuer, Fleisch
(als Lockmittel), Habicht, Harmonium, Hund, knarrende Bäume
im Winter, Ketten, Kerosin, Kontrabaß, Knochenflöte,
Mäuse, Nachtigall, Piano, Specht, Wasserdampf ...
Verwendete Hallräume: Höhle, Steinbruch, Schlucht, Waldlichtung, Waldmitte ... |
Richard Bruzek
EUCLIPSE
Computermusik, stereo, 9 min, Wien 2011/13
Basismaterialien für mein Stück
Serieller Prolog: Im Verborgenen, als Schatten projizierte Orgel
eines Gotteshauses in Wien Alszeile.
Duett: Orgel die ich selbst
spiele und „verschränkter” Gesang (Martina Cizek);
„Lange Leidenslinie” (Gesang Simina Badea, aufgenommen in der Brunnenpassage, Kunst- und Sozialraum der Begegnung
in Wien); „bells under run” von Myr-records.
Metall: Geschichtlicher Schlag, eine Studie, short rhythm sequence
von
„The Yppis”, aufgenommen am Friedrichshof.
Wiener Melange-records in den Franz-Schrekerstudios: Der arbeitende
Komponist – befor, after, during taking a record.
Verwendete Instrumente: verschiedene Klaviere, Posaune, Kontrabass, Percussion, Zieharmonika, Moog, Scheren, Laute, u.a.
Montage, Demontage, Transformation, Collage.
Computeroperierende Programme: AMP, PD, MSP, VASP |
Günther Rabl
EINES TOTEN MORGENS
Variationen über einen Text und ein Gitarrensolo von Werner
Schwab
Computermusik, 7-kanal, 25 min, Stereofassung 2011/12
Stimme und E-Gitarre: Werner Schwab (Originalaufnahmen aus dem
Nachlass,
mit freundlicher Genehmigung von Vinzenz Schwab und Ingeborg Orthofer)
Im Winter 2010/11 gab mir Vinzenz Schwab den von ihm digitalisierten
Nachlass seines Vaters, des Dramatikers Werner Schwab (1958 –
94) zum Anhören. Besonders zwei Aufnahmen haben meine Aufmerksamkeit
erregt: ein Text, den der Autor Anfang der Neunzigerjahre selber
auf Cassette gesprochen hat, mit dem Titel „Der Bauch”,
und ein Gitarrensolo aus den späten Siebzigerjahren, ebenfalls
auf Cassette. Beide Aufnahmen sind fast auf die Sekunde genau
gleich lang. Der Text ist eine Art Epitaph, oder vielleicht eher
eine Standpauke an jemanden, der eines unsinnigen Todes stirbt,
nachdem er im Heisshunger eine ganze Stange „Zwiebelleberstreichwurst”
verschlungen hat. Eine fulminante Tirade über das Verhältnis
des Bauches zum „wütend verdauenden Kopf”, von
Werner Schwab selber ruhig und kunstlos gelesen und auf Cassette
aufgenommen. Das Gitarrensolo dagegen ist ein Bündel an Intensität,
alles andere als virtuos, wüst und verzerrt. Der Kontrast
dieser beiden, in jeder Hinsicht so unterschiedlichen Ausgangsmaterialien
schafft vom ersten Moment an eine Eigendynamik der musikalischen
Auseinandersetzung.
1. Teil: Exposition 6 min
Im ersten Teil steht die nahezu unbearbeitete Aufnahme der Stimme
im Mittelpunkt. Umkreist wird sie von mehreren Schichten der Gitarrenaufnahme
in den äusseren Lautsprechern. Die Raumbewegung entsteht
durch eine Überlagerung zweier Lemniskaten – „Achterschleifen”,
ein uraltes Ewigkeits- und Todessymbol. In der Überlagerung
bilden sie rastlose, verschlungene Bahnen (siehe Cover).
2. Teil: Verwandlung 4 min
Im zweiten Teil ist die Zuordnung vertauscht. Im Zentrum steht
anfangs die Gitarre, an der Peripherie die Stimme. Allerdings
in verwandelter Form: Die Stimme wird zu aggressiven, metallischen
Ausklängen (teils nah, teils fern), in denen der Ursprung
nur mehr andeutungsweise erkennbar ist; die Gitarre wird zu einer
Art Trommel, die gegen Ende das Zentrum beharrlich umkreist.
Einziges Fremdelement: Der Ruf eines Lumpensammlers in den Strassen
(historische Aufnahme).
3. Teil: Wanderung 7 min
Der Klang der Stimme zerfällt in viele Schichten, die zusammen
einen undurchdringlichen abstrakten Dschungel bilden, in dem es
unaufhörlich schnarrt und quakt und zirpt und stöhnt.
Durchzogen wird dieser Dschungel durch Bahnen, auf denen die Akkorde
der Gitarre merkbar schnell vorbeiziehen. Im Zentrum folgt eine bizarre Hirtenmelodie unbeirrt
den Mikrostrukturen des Gitarrenklanges in einer längst vergessenen
antiken Skala.
4. Teil: Rückkehr 9 min
Eine Art Glockenschlag, gefolgt von einem tiefen Ostinato, kündigt
den vierten Teil an. Eine langsam umherziehende Prozession skandiert
den Originaltext rückwärts, wobei die immer wiederkehrende
rhetorische Anrede „
Wissen Sie” rückwärts abgespielt erstaunlicherweise
eindeutig als „Wissen Sie” zu vernehmen ist. Mit dieser
einleitenden Anrede endet der vierte Teil und damit schliesst
sich der Kreis. |
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1 CD in jewel box with a booklet |
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