Die meisten Pilzrezepte, die mir so unterkommen, sind eigentlich nur Varianten von Speisen, die normalerweise mit andern Zutaten, meistens Fleisch, bereitet werden und in dieser Form bekannt sind: Ragouts, Eintöpfe, Spaghetti, Lasagne, und so weiter. Oder es sind Rezepte, in denen die Pilze nur als Zutaten eingesetzt werden, oft nicht einmal in Sorten differenziert - egal, ob Pfifferling oder Shitake.
Demgegenüber stelle ich hier ein paar Rezepte zur Debatte, in denen die Pilze in ihrer jeweiligen Eigenart die Hauptsache sind.
Manche davon sind kaum als Hauptspeise zu verstehen. Aber man muss ja nicht jede Mahlzeit nach dem Aspekt der Knödelohnmacht bewerten. Die Kraft, die von diesen seltsamen, wildwachsenden Wesen, jenseits von Pflanze und Tier, vermittelt wird, hat eine eigene Qualität, die mit Kalorien nicht erklärbar ist.
Die ergänzenden Beschreibungen der Pilze in den Rezepten ersetzen selbstverständlich keine genaue Kenntnis der Arten. Die Interessierten, denen beim Lesen der Rezepte das Wasser im Mund zusammenläuft, sollten daher keinesfalls gleich losstarten und die nächstbesten, der Beschreibung ähnelnde Wesen in die Pfanne hauen !
Eine genaue Kenntnis, vor allem auch unter Ausschliessung der möglichen Verwechslungen, ist unerlässlich.
Man kann das durchaus auch aus Büchern und Beschreibungen lernen, wobei im allgemeinen Zeichnungen mehr helfen als Fotos. Auch auf einem guten Foto ist immer nur ein Individuum zu sehen, während gute Zeichner, die auch Pilzkenner sind, die Merkmale der Gattung in einem Bild darstellen können.
Nach Pilzsorten
Perlpilz in Bier
amanita rubescens
Von unerfahrenen Pilzsammlern kann der Perlpilz mit allen mögliche Arten verwechselt werden: mit dem Fliegenpilz, mit dem Pantherpilz, mit Champignon-Arten. Wer ihn gut kennt, erkennt ihn in jeder Varietät. Vor allem die ziegelroten Frasstellen im Stiel und am Hut sind typisch, bei manchen ganz frischen Exemplaren sind sie aber nicht vorhanden. Obwohl über den ganzen Sommer verteilt in Mengen auftretend, ist der Perlpilz in weiten Teilen Mitteleuropas unbekannt oder nicht geschätzt. In Tschechien hingegen, hab ich mir sagen lassen, ist er vielerorts ein bekannter und beliebter Pilz und trägt dort auch den Namen 'Küchenperle'.
Dementsprechend ein tschechisches Rezept, das zu den einfachsten und besten Pilzrezepten gehört, die ich kenne. (Ein grosses Danke an Petr, den Fagottisten, von dem ich das Rezept habe):
Man nimmt nur die Hüte und schneidet sie möglichst flach zu. Die ausgebreiteten kann man ganz lassen oder halbieren, die geschlossenen und dickfleischigen muss man unter Umstaenden vierteln oder leicht anbrechen, damit sie beim Braten gut aufliegen.
Öl in eine Pfanne geben und gleich reichlich Kümmel hinein und soviel Pilze, wie nebeneinander Platz haben mit den Lamellen nach oben braten. In die Lamellen gleich Salz und nocheinmal Kümmel. Umdrehen und fertigbraten, bis das Fleisch nachgibt (nötigenfalls mit einer Gabel etwas andrücken). Die Pilze herausnehmen, gegebenenfalls etwas Öl nachfüllen und die nächste Tranche braten. Sind alle Pilze dergestalt fertig gebraten, dann den Fond in der Pfanne mit hellem Bier aufgiessen, die gebratenen Pilze dazugeben und nocheinmal kurz aufkochen lassen. Eine nahrhafte und leicht verdauliche Hauptspeise, die auch Kindern schmeckt, die nicht völlig vermacdonaldisiert sind.
Der Perlpilz muss aber gut durchgebraten sein, roh verursacht er Magenbeschwerden.
Kuhmaul (Gelbfuss) - gedünstet
gomphidius glutinosus
Ein stellenweise in Mengen vorkommender Pilz, der mit seinem graublauen, klebrigen Überzug und seinem chromgelben Stielgrund kaum zu verwechseln ist. Die gallertartige, klebrige Huthaut, die beim frischen Pilz auch den Stiel umschliesst, muss man abziehen, da sie unverdaulich ist. Das geht manchmal sehr einfach, mit einem Ruck, manchmal ist es auch etwas mühsam. Die Mühe lohnt sich aber.
Mein Rezept: Die geputzten Pilze mitsamt den Stielen blättrig schneiden.
In eine Pfanne ein Gemisch aus Öl und Butter geben und etwas feingehackte Zwiebel und feingehackten grünen Paprika anlaufen lassen.
Die Pilze dazugeben, salzen und zehn Minuten dünsten lassen.
Am Schluss ein Schuss Sherry dazu und etwas Petersilie und Pfeffer.
Eine pikante Vorspeise, da die Pilze selber leicht säuerlich sind.
Pfeffermilchling (Erdschieber) - gebraten
lactarius piperatus, pergamenus
Auch in kargen Spätsommern, in denen kaum Pilze wachsen, kommt der Erdschieber stellenweise in Massen vor und hält sich bis in den Herbst. Er erreicht eine beträchtliche Grösse, bis zu 30 cm Durchmesser, und auch die kleineren Pilze haben selten weniger als 12 cm Durchmesser und sind dickfleischig und fest. 'Erdschieber' nennt man ihn mancherorts, weil er als voll entwickelter Pilz durch den Waldboden bricht. Möglicherweise bezeichnet man damit aber mehrere Gattungen oder Varietäten je nach Standort (Laubwald oder Nadelwald).
Einziges Problem: der spärliche, wässrige Milchsaft ist unerträglich scharf (auch fuer Personen, die an Chilli gewöhnt sind) und brennt nachhaltig an der Zungenspitze, wie auch andere scharfe Milchlinge. Der Geschmack ist harzig und bitter. Wird er jedoch gebraten, dann ändert sich der Geschmack: die Schärfe verschwindet, das harzig-bittere wird würzig. (Manchmal bleibt er aber auch etwas bitter)
Rezept: Man schneide die meist trichterförmigen Pilze in vier Teile, so dass sie flach aufliegen koennen oder quer in fingerdicke Schnitten. Ganz wenig Öl in eine eiserne Pfanne und scharf braten, wie üblich zuerst mit den Lammellen nach oben, wobei man gleich salzen kann, dann einzeln umdrehen und gut durchbraten (unter Umständen mit einer Gabel andrücken, damit sich keine Hohlräume bilden). Zum Schluss einen guten, süssen Parmesan darüberreiben und bei zugedeckter Pfanne schmelzen lassen. Eine ausgezeichnete Vorspeise, wenn man das Bitter-Würzige mag. (Mit einem starken Obstler flambieren kann man auch noch, wenn's noch nicht spicy genug ist).
Graukappen (Nebelkappen) - abgekocht und geröstet
Die Graukappe kommt in vielen Pilzbüchern schlecht weg, weil sie nach Rüben riecht und als schwer verdaulich gilt. Mir hat sich folgende Zubereitung bewährt:
Rezept: Die Pilze in grobe Stücke schneiden, in kochendes Wasser geben und zehn Minuten abkochen. Das Kochwasser wegschütten, die Pilze abtropfen lassen und in Streifen schneiden. In einer eisernen Pfanne, ohne Fett, aber mit etwas Salz rösten, bis sie goldbraun und knusprig sind. Das gibt eine gute Aufbesserung für Risotto, Pasta oder Mischgemüse.
Es braucht aber schon eine ziemliche Menge Pilze, damit dann eine Handvoll gerösteter Streifen übrigbleibt.
Champignon (Egerling) - in Gorgonzola
psalliota arvensis, nivescens, augusta
Unter 'Champignon' verstehe ich die wild wachsenden, festen, dickfleischigen und aromatischen Riesenchampignons, die mit den Zuchtchampignons, wie man sie in den Läden bekommt nur wenig gemein haben.
Im Laufe der Zeit hab ich mir meine eigene Klassifikation zurechtgelegt, denn ich habe noch kaum einen Champignon gefunden, der in allen Merkmalen eindeutig den Beschreibungen einer Art in den Pilzbüchern entspricht. Meine Unterscheidung geht nach dem Aroma: Es gibt welche, die riechen nach Mandel, andere nach Anis, andere nach rohem Kalbfleisch, andere nach Karbol. Die zu sehr nach Karbol riechen, meide ich, obwohl ich den in vielen Pilzbüchern einzig als giftig beschriebenen 'Karbolegerling' auch noch nie in einer reinen Form angetroffen habe. Möglicherweise bastardisieren die Champignons gerne und bilden Zwischenstufen. (Vielleicht sind sie auch deshalb überhaupt züchtbar).
Rezept: Die Pilze in dicke Streifen schneiden und in einem Öl-Buttergemisch beidseitig scharf anbraten. Dann ein Stück Gorgonzola einschmelzen - fertig. Man kann aber auch vor dem Gorgonzola noch einen Esslöffel Graumohn kurz anschwitzen lassen.
Nelkenschwindling (Feldschwindling) - Sauce
Der Nelkenschwindling wächst in der Wiese. Er breitet sich, wie viele Pilze, ringförmig im Kreis aus und das nach aussen wachsende und nach innen zu absterbende Myzelium düngt die Wiese, wodurch das Gras an den Innenrändern des Kreises dunkelgrün ist. Am Aussenrand der dunkelgrünen Kreisfragmente findet man den Pilz bereits Ende Mai oder Anfang Juni. Man sammelt nur die Hüte, die man mit einem scharfen Messer abschneiden muss, da die Stiele sehr zäh sind. (Ist der Stielansatz hohl, dann kann man den Pilz gleich aussortieren, er ist mit Sicherheit wurmig).
Sein feines, mandelartiges Armoma, macht den kleinen Pilz zu einer angenehmen Zugabe für alle Arten von Ragouts und Mischgemüse. Hat man eine reichliche Ernte, dann empfiehlt sich eine Standardzubereitung mit etwas Zwiebel, Rahm und Petersilie, oder auch ohne Rahm, mit einem Schuss Sherry oder trockenen Hagebuttenwein.
Eierschwammerl (Pfifferlinge) im Wok
Der, neben dem Steinpilz, bekannteste und beliebteste Speisepilz im nördlichen Europa ist eigentlich schwer verdaulich. Manche Menschen, ich zum Beispiel, bekommen davon schwerstes Magendrücken. Dem kann man aber durch vorheriges Rösten abhelfen.
Rezept: Die Pilze blättrig schneiden oder halbieren und dann im Wok, ohne Fett aber mit etwas Salz rösten, bis die ganze Flüssigkeit, die sich nach und nach in der Mitte des Woks absondert, verdunstet ist. Dann erst Öl in die Mitte geben, etwas feingehackte Zwiebel anschwitzen lassen und das Gericht unter Zugabe von etwas Wasser im zugedeckten Wok fertigdünsten. Gehackte Petersilie dazu und je nach Belieben mit Rahm oder Creme fraiche abrunden.
Hallimasch - Ragout
Rezept: Man nimmt nur die Hüte, vorzugsweise die kleineren festen, und halbiert oder viertelt die grösseren. Öl in einen Topf geben, etwas feingehackte Zwiebel und grob geraffelte Karotten anschwitzen lassen und gleich einige im Mörser zerstossene Wacholderbeeren darein. Dann die Pilze dazu und dergestalt ungefähr eine viertel Stunde zugedeckt dünsten lassen. Unter Umständen etwas Wasser beigeben. Am Schluss feingehackte Petersilie darüber - fertig.
Vom Hallimasch hört man immer wieder, dass er leicht giftig sein soll. Mir ist davon nichts bekannt. Im Gegenteil: In dieser Zubereitung gehört er zu den bekömmlichsten, die ich kenne. Allerdings trifft auf ihn die Warnung zu, dass man fertige Pilzgerichte nicht aufwärmen sollte - schon gar nicht in der Mikrowelle.
Täublinge in Dillsauce
russula virescens, cyanoxantha, vesca
Rezept: Die Täublinge in nicht zu dünne Streifen oder Stücke schneiden und in einem Öl-Butter-Gemisch in der Pfanne schmoren. Frische, fein gewiegte Dille dazugeben und Creme fraiches einrühren. (Nur mehr ganz kurz aufkochen lassen, damit sich alles verbindet).
Hollunderohren
Sie sehen tatsächlich aus wie graubraun-rosarote Ohrmuscheln und wachsen das ganze Jahr über auf alten Hollunderstämmen. Wenn sie vertrocknen, werden sie schwarz. Man kann die frischen Pilze ernten, aber auch die am Stamm vetrockneten. Sie haben kaum Geruch und Geschmack, aber eine typische knorpelartige Konsistenz, die in der chinesischen Küche sehr beliebt ist. Es ist auch tatsächlich dieselbe Art Pilze, die man unter verschiedenen Bezeichnungen ('chinesische Morcheln' z.B.) getrocknet im Asia-Shop kaufen kann. Dementsprechend verwendet man sie für diverse chinesische Gerichte.
Hexenei gebraten
phallus impudicus
Hexenei nennt man die noch unentwickelten Exemplare der Stinkmorchel, die als hühnereigrosse bis faustgrosse geschlossene Kugeln fast zur Gänze in der Erde stecken, sodass meistens nur ein kleine, weissliche Kuppe zu sehen ist. In diesem Stadium hat der Pilz noch nicht seinen penetranten Geruch, sondern eher ein leicht rettichartiges Aroma. Dennoch ist er eine der befremdlichsten Pilzformen, die man finden kann.
Schneidet man das Hexenei durch, dann erkennt man merhrere Schichten: eine weissliche elastische Aussenhülle, eine grünliche Gallertschicht, dann eine dunkelgrüne kleiige Masse und ganz innen einen weissen Knorpel.
In Scheiben geschnitten und scharf gebraten, gibt das eine interessante Vorspeise, die etwas an Bratkartoffel erinnert, wobei allerdings die gallertartige Masse ihre Konsistenz behält. (Für Leute, die glibbrige Sachen nicht mögen, ist das eher nichts).